Emotionen in der Hundeerziehung: Positive Lernhilfen

Hund kuschelt behaglich auf Frauchens Arm.

„Das ist doch nur ein Tier“? – Wer Tiere und insbesondere Hunde kennt, wird das sicherlich nie sagen. Tiere haben Gefühle – aber welche Emotionen bzw. Gefühle haben sie genau? Was auch immer Forscher sagen: Exakt wissen wir nie, was und wie andere denken. Das gilt bereits für Menschen und deutlich stärker für Hunde. Dennoch erreichen wir die besten Lernerfolge, wenn wir positive Emotionen nutzen und unsere Hunde besser verstehen.

Haben Tiere Emotionen?

Die Neurowissenschaft versucht unter anderem, Hirnströme zu messen und daraus Rückschlüsse auf Emotionen zu ziehen. Das funktioniert allerdings nicht sonderlich gut: Hirnströme können nicht direkt mit Emotionen gleichgesetzt werden und eine physikalische Größe gibt es für sie auch nicht.

Das gilt sowohl für Menschen als auch für Hunde. Menschen können immerhin noch auf Fragen ein subjektives Feedback geben: Schmerzt diese Stelle stärker oder eher diese? So direkt können Hunde leider nicht antworten. Daher müssen wir uns bei Tieren damit begnügen, anhand von Empathie (Einfühlungsgabe) und Beobachtung Rückschlüsse auf vorhandene Emotionen ziehen. An dieser Stelle aber erstmal ein Schritt zurück: Was sind eigentlich Emotionen?

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Was sind Emotionen?

Diese Frage ist problematisch, weil es keine eindeutige Definition von Emotionen gibt. 1982 zählten Kleinginna und Kleinginna in einer Studie 92 verschiedene Definitionen! Erlebniszustand, Reaktionsmuster des Körpers, Syndrom, neurophysische Reaktionen, soziale Konstruktionen – all dies wurde als Definition verwendet. Nichts davon gibt eine klare Antwort. (Für ausführliche Betrachtungen zu Emotionen allgemein siehe die Einführung in Emotionen der Uni Heidelberg (Psychologie).)

Aus dem Alltag gesprochen sind Emotionen einfach bestimmte Erlebniszustände wie Angst oder Freude. Das Problem ist auch hier: Emotionen sind subjektive Wahrnehmungen. Wir können nicht wirklich wissen, wie weit meine Angst deiner Angst ähnlich ist, ob wir uns vollkommen gleich oder ganz anders fühlen – zumal Gefühle meist in einer Mischung auftreten.

In der Hundeerziehung arbeiten wir oft mit behavioristischen Modellen (z. B. Konditionierung) – also Konzepten aus der Verhaltenslehre. Es scheint daher einleuchtend, ein behavioristisches Emotionsmodell zu verwenden, denn: Behavioristen gehen davon aus, dass man Emotionen bzw. Erleben nicht direkt untersuchen kann, sehr wohl aber sichtbares Verhalten. Und genau das liefert uns die Beobachtung von Hunden: Verhaltensweise können analysiert und Rückschlüsse auf Emotionen gezogen werden.

Welche Emotionen haben Hunde?

Dass Tiere ebenso Emotionen haben wie Menschen, ist bekannt. Affen streiten und versöhnen sich, Elefantenherden trauern um verstorbene Familienmitglieder und natürlich zeigen auch Hunde verschiedenste Emotionen. Hunde sind uns Menschen emotional sehr ähnlich. Es ist davon auszugehen, dass sie Formen kennen von:

und anderen Gefühlen oder Gefühlsmischungen.

Allerdings sind diese nicht eins zu eins zwischen Hund und Mensch übertragbar, denn Menschen unterscheiden sich von Tieren durch eine besonders ausgeprägte Form des bewussten Denkens. Sicher feststellen kann man: Bei Hunden treten Emotionen spontaner auf als bei Menschen. Hunde drücken sich unmittelbarer aus – und fallen schneller von einer Emotion in eine andere. Denn im Gegensatz zum Menschen denken sie nicht stunden- oder monatelang über Situationen, Erlebnisse und Gefühle nach.

Dennoch können sich starke Emotionen auch bei Hunden lange halten oder dauerhaft festsetzen: Eine Beißerei mit einem anderen Hund wird nicht immer vergessen, sondern bleibt oft dauerhaft in Erinnerung und dadurch auch die mit ihm verbundenen Emotionen.

Und auch Hunde haben verschiedene Stimmungen: Ist ein Hund nach einem Streit auf 180, merkst du das stundenlang: Mit schlechter Laune wird ein freundlicher Artgenosse schon mal streitlustig angekläfft – die aufgestaute Wut muss raus, ohne echtes Ziel. Andersherum wirken positive Erlebnisse geradezu beflügelnd.

Emotionen zur Erziehung nutzen

Diese verschiedenen Emotionen kannst du dir in der Hundeerziehung zunutze machen. Dabei gilt: positive Verstärkung! Strafen, Angst machen oder Schmerz zufügen kommen nicht infrage. Die Forschung hat inzwischen eindeutig belegt, dass Belohnungen besser und nachhaltiger wirken. Nicht zu vergessen: Belohnungen stärken eure Bindung, Strafen stören sie und lassen deinen Hund Abstand von dir nehmen.

Horst Hegewald-Kawich drückte die Rolle von Gefühlen in 300 Fragen zur Hundeerziehung so aus:

Emotion ist quasi der Antriebsmotor des Gemütszustandes eines Hundes. […] Positive Gefühle dem Trainer gegenüber und dadurch positiv erlebte Trainingserfahrungen helfen dem Hund, sich das Gelernte besonders fest einzuprägen [und abzurufen]. (Frage 25 / S. 32)

Wie nutzt du Emotionen? Versuche, dich in deinen Hund hineinzuversetzen. Ärgere dich nicht, wenn er wieder bellt, sondern frage dich stattdessen: Warum bellt er gerade? Habe ich vielleicht gerade einen anderen Hund gestreichelt? (Eifersucht!?) Oder bellt er, wenn er angeleint ist? (Angst durch mangelnden Freiraum?!)

Zwar kannst du nicht mit letzter Sicherheit in deinen vierbeinigen Freund hineinblicken, aber wie die Behavioristen kannst du auf diese Art seine Verhaltensmuster ergründen und zu Änderungen ansetzen: Streichle deinen Hund UND den anderen; oder gib ihm mehr Freiraum, sofern das möglich ist. Oftmals lässt sich ein unerwünschtes Verhalten einfach durch eine Änderung der Situation abstellen, denn Hunde zeigen durch ihr Verhalten, wie sie sich fühlen.

Dein Ziel sollte es sein, angenehme Emotionen zu verstärken und unangenehme abzuschwächen. Das geschieht zum Beispiel in der Gegenkonditionierung. Mit ihr nimmst du deinem Hund Schritt für Schritt die Angst vor etwas und ersetzt sie mit einem positiven Reiz.

Komplexe Emotionen

Diese Beispiele brachen die Hunde-Emotionen auf sehr grundlegende Verhaltensmuster herunter. Wie sieht es mit komplexeren Gefühlen aus? Kann mein Hund „stolz“ auf mich sein? Vielleicht. Biete ich ihm Sicherheit und Geborgenheit, fühlt er sich bei mir wohl und akzeptiert mich als „Rudelführer“, dem er gerne folgt.

Erneut lohnt es sich, diese Frage aus Sicht des Hundes hypothetisch zu beantworten: Wie müsste ein Mensch sein, bei dem ich mich als Hund verkriechen kann, wenn ich Angst habe? Ein schlechter Kandidat wäre wohl jemand, der schreit, wenn ich an ihm hochspringe und doch eigentlich nur in den sicheren Arm genommen werden will. Ruhe und Souveränität sind viel besser geeignet, mir die Furcht zu nehmen und mir Vertrauen einzuflößen. Auf so einen Menschen wäre ich dann auch stolz.

Stolz kann natürlich auch ins Negative umschlagen – Besitzdenken ist Hunden nicht fremd. Ihr Futter, ihr Spielzeug, ihr Platz, ihr Frauchen. Wenn sie der Meinung sind, etwas sollte ihnen gehören, verteidigen Hunde es auch. Das kann auf uns wirken wie ein lustiges Spiel, aber ein Anlass zu ernsthaftem Streit sein. Fliegt ein Bällchen auf der Wiese und kommt ein anderer Hund an, geht es dem Hund wie uns, wenn jemand Handy, Handtasche oder Auto wegnimmt.

Nicht vergessen: Deine eigenen Emotionen!

Wenn du möchtest, dass dein Hund sich an dir orientiert, kannst du überlegen, was du in seiner Situation von dir erwarten würdest. So verstehst du viel besser, weshalb dein Hund vielleicht nicht gehorcht oder etwas Bestimmtes von dir zu erwarten scheint.

Außerdem gilt: Nicht nur die Emotionen deines Hundes sind wichtig, sondern auch deine! Bist du der ruhige Pol, fällt es dir auch leicht, deinen Hund zu beruhigen. Er fühlt sich bei dir sicher, vertraut dir, und fühlt sich nicht genötigt, selbst aggressiv oder unsicher zu werden. Deine Emotionen übertragen sich: Rennt dein Hund angstvoll auf dich zu und schreist du ihn an, verstärkst du seine Panik zusätzlich.

Es ist auch nicht hilfreich, deinen Hund in dieser Situation zu ignorieren. Er hat Angst und sucht Hilfe bei dir – gib sie ihm! Auf den Arm nehmen, Kuscheln, Kraulen, vielleicht zwischen ihn und den vermeintlichen Angreifer stellen … auf diese Art kannst du deinem Hund langsam seine Ängste nehmen.

Alles in allem lässt sich sagen: Hunde fühlen vielleicht nicht das Gleiche wie wir Menschen, aber insgesamt ähnlich genug, so dass wir uns bei der Hundeerziehung an Analogien bedienen können.

Wir sollten uns öfter klarmachen, wie unsere Hunde sich in einer bestimmten Situation fühlen und versuchen, sie zu verstehen. Dann fällt auch die Erziehung um einiges leichter.

1 Kommentar

  1. Super Bericht…habe einen ängstlichen Hund…krankheitsbedingt. bin immer ruhig auf seine Angst eingegangen und ihm Schutz gegeben…war oft sehr mühsam… Aber diese Mühe und Geduld hat sich gelohnt…er ist wieder weniger ängstlich und läuft selbstbewusster durch sei. Hunde leben

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